Donnerstag, 9. April 2015

4 Wochen im Behindertenheim

Wahnsinn jetzt ist schon mein zweiter Monat in Sri Lanka vorbei. Die Zeit rast dahin und schon bald trete ich den Rückflug an.
Meinen 2. Monat habe ich in einem Heim für  behinderte Frauen verbracht. Ich werde diesen Post ähnlich strukturieren, wie den Post über das Babywaisenhaus. Zuerst einige allgemeine Fakten über die Organisation und dann den allgemeinen Tagesablauf.

Das Heim nennt sich “Daya Nivasa“. Organisiert und geleitet ist das Ganze von den Schwester Mutter Theresas. Also eine christlich getragene Einrichtung. Die Einrichtung ist nur für Frauen. Insgesamt leben ca. 50 Frauen dort. Manche haben nur eine körperliche Behinderung (können nicht laufen, oder sind blind), andere haben verschieden starke geistige Behinderungen. Es gibt auch einige Kinder (ca. 8) und ca. 4 Babys.


Nun zum Tagesablauf.
Wie auch bei den Babys verließen wir das Volunteerhaus gegen 7:30. Mit dem Bus ging es erst nach Kandy. Von dort nahmen wir einen weiteren Bus und nach ca. 10 weiteren Minuten erreichten wir das Heim. Dort gingen wir erst mal unsere Sachen ablegen, in einem Raum, der nur für die Volunteere gedacht ist. Um 8:45 versammelten wir uns alle im sogenannten “sensory room“. Dort wartete die Oberschwester auf uns. Für 1/4h hatten wir eine Art Begrüßungs-/Organisationsmeeting. Für jeden Tag gab es einen “reflection point“. Dieser handelte teilweise von Gott, teilweise ging es eher um Sicht- bzw. Handlungsweisen. Über diesen Satz  sollten wir dann eine Weile nachdenken. Währenddessen wurde das Licht ausgeschaltet und leise Musik abgespielt. Es war quasi eine kleine Meditation. Die meisten von uns, und auch ich, haben eher ein kleines Nickerchen gehalten. Nach einer Weile wurde die Musik abgeschaltet und die Schwester betete. Ich glaube es war ein Gebet, dass von Mutter Theresa entworfen wurde. Zum Schluss beteten wir zusammen. Danach erklärte die Schwester noch ein bisschen genauer, was sie mit ihrem heutigen Satz sagen will und was wir doch mal versuchen sollten. Zum Schluss teilten wir uns in verschiedene Gruppen auf.
Um 9 wurde eine Glocke geläutet. Diese rief alle zum Beginn des Unterrichts. Es gab unterschiedliche Klassen. Es gab eine Klasse für alle Rollstuhlfahrer, die eig. nicht in der Lage sind wirklich was zu machen. Die war allerdings fast nie für Volunteere offen, da das harte Arbeit ist. Es ging dabei mehr um Beschäftigung  und nicht wirklich um Unterricht, aber das macht ja nichts. Dann gab es für die Kinder eine Gruppe und es gab die Gruppen “Goodness“, “Joy“ und “Peace“. Ich würde sagen, dass in Peace diejenigen waren, die noch am meisten tun können, dann kommt Joy und zum Schluss Goodness. Allerdings gab es in jeder Gruppe Frauen mit unterschiedlich starken Behinderungen.
Die Klasse ging immer bis 11 Uhr. Jeden Tag wurden unterschiedliche Dinge gemacht. Es wurde gebastelt, gesungen, Englisch und Zeichensprache gelernt und vieles mehr. Beendet wurde die Klasse immer mit einem Lied. Dieses war ziemlich einfach. Es bestand eig. nur aus Thank You + einem Namen“. So wurde jedem einzelnen gedankt. Das haben sie geliebt. Um 11 Uhr versammelten sich dann alle für den Lunch. Der bestand immer aus Rice&Curry. Allerdings sind sie das ja gewohnt, also machte es ihnen wohl nichts aus. Die meisten können alleine essen. Wir fütterten diejenigen, die es nicht konnten. Das war manchmal eine ziemliche Sauerrei und ich war froh mir im Nachhinein die Hände zu waschen und zu desinfizieren. Nachdem alle gegessen hatten, war unsere Morgenschicht beendet und wir zogen uns in den Volunteerraum zurück. Dort wartete meistens schon unser Lunch, der immer von einer/einem Coordinator/in gebracht wurde. Insgesamt hatten wir eine Pause von 2h, von 12 bis um 2.
Manchmal gingen wir ein Eis essen, oder machten Besorgungen in einem nahe gelegenen Supermarkt.
Um 2 ging es dann wieder runter zu den Frauen. Die Zeit am Nachmittag stand zur freien Verfügung. Teilweise spielten wir mit den Kindern auf deren Spielplatz, teilweise hielten wir die Hand, teilweise machten wir aber auch verschiedene Aktivitäten. So hatten wir an einem Tag eine Musikgruppe, an einem anderen sangen wir gemeinsam Lieder oder tanzten. Gegen 2:30 bekamen sie ihren Tee mit Milch und Zucker, wie es in Sri Lanka üblich ist. Leider mussten wir uns um 3 Uhr bereits von ihnen verabschieden.

Dies war der eig. immer gleichbleibende Tagesablauf. Nun möchte ich einige kleine persönliche Geschichten erzählen.

Ich besuchte jede der Klassen mind. Für einen Tag. Aber schon bald stand für mich fest, dass die Klasse “Joy“ meine absolute Lieblingsklasse war. Ich weiß nicht genau woran es lag. Vllt. an den Frauen, von denen ich einige sofort in mein Herz geschlossen hatte, vllt. auch wegen der Freude, die diese Gruppe jeden Tag beim arbeiten zeigte.
Geleitet wurde die Klasse von ein Kanadierin. Sie macht das jetzt schon seit 3 ½ Jahren und ist einfach unglaublich. Zu Anfang wurde ein jeder gefragt, wie es ihm heute geht. Dann wurde gebetet. Für jeden, der krank war, oder sich sonst irgendwie unwohl fühlte, wurde gebetet.
 Wir bastelten viel. Ob aus Pappmasche, Holz, Zement oder etwas anderem spielte dabei überhaupt keine Rolle. Allerdings bestanden unsere Stunden nie nur aus Basteln. Entweder gab es eine Einheit im Englischen oder im Makaton. Eine Zeichensprache, die es ermöglicht sich ohne Sprache zu verständigen. Das ist besonders praktisch, da manche der Frauen entweder nicht sprechen wollen oder können. Das ganze wurde immer auf eine spielerische und spaßige Weise rübergebracht. Niemand wurde unter Druck gesetzt, auch nicht, wenn man etwas zum wiederholten Male gesagt hatte. Machte es eine der Frauen jedoch richtig, oder erinnerte sich an ein kur zuvor gelerntes Wort war die Freude darüber umso größer. Das hat mir so gut gefallen, da man sehen konnte, wie viel Spaß alle am Lernen hatten. Natürlich braucht es eine Zeit bis die Frauen ein neues Wort oder ähnliches gelernt hatten, manche lernen es wohl nie, aber niemand wurde je deswegen aus der Gruppe ausgeschlossen oder gar belächelt.
Mit einer Frau aus dieser Gruppe freundete ich mich besonders an. Sie hat Multiple Sklerose und sitzt im Rollstuhl. Ihre Haltung ist sehr geduckt und teilweise ist sie sehr schwach, aber ihr Geist ist wach und giert nach Beschäftigung. Anders als viele anderen hatte sie ein sehr gutes Leben. Sie besuchte eine gute Schule (daher spricht sie gut Englisch) hat einen Mann und 2 Söhne. Sie lebte in Dubai, Singapur und in Malaysia. Daher ist es für sie sehr schwierig, in dem Heim glücklich zu sein. Während der Klasse saß ich die meiste Zeit an ihrer Seite und half ihr, wann immer sie es brauchte. So hielt ich z.B. das Blatt Papier fest, damit sie mit beiden Händen den Stift halten kann. An manchen Tagen musste ich ihr auch helfen den Stift zu führen, da ihre Hände zu sehr zitterten. Wenn sie etwas nicht hinbekam, war sie sehr traurig und manchmal war es schwer dies mitanzusehen. Man ist so hilflos. Ich denke sie war oft gelangweilt, da sie vieles, was die anderen langsam lernten bereits konnten. Dann erzählte sie mir viel von ihren Söhnen und von ihrer Sehnsucht nach ihnen.
Meistens half ich ihr auch beim Essen. Denn da sie ihre Hände nicht mehr richtig benutzen kann, ist es für sie sehr schwierig. Es war nicht immer das einfachste sie zu füttern. Denn sie war sehr wählerisch. Vieles schmeckte ihr nicht und wehe das war dann auf dem Löffel ;). Trotzdem fütterte ich sie sehr gerne. Denn anders als bei manch anderen blieb man selbst dabei sauber.

An einem Freitag fielen alle Klassen aus, da alle Angestellten mit den meisten Schwestern auf einem Ausflug zu irgendeiner besonderen Kirche waren. Nun mussten wir uns also überlegen, wie wir die ganzen Frauen beschäftigen. Denn wir wollten sie nicht nur einfach herumsitzen lassen, dass machen sie oft genug. Wir fanden Nagellack und kurze Zeit später war ich umringt von Frauen, die alle ihre Nägel lackiert haben wollten. Ich weiß nicht mehr wie viele ich lackierte. Es schien endlos so weiter zu gehen. Einige der Frauen zeigten mir noch tage später ihre Nägel und dann auf mich. Sie hatten so viel Spaß.
Generell liebten es die Frauen, wenn man mit ihnen irgendwas in Richtung Beauty machte. An einem Tag hatten wir auch in der Klasse einen sogenannten Beauty-Tag. Jeder bekam eine Schüssel mit heißem Wasser und einen Waschlappen. Zuerst hatten wir selbstgemachte Peelings in 2 verschiedenen Geruchsrichtungen. Danach eine Papaya Maske und zum Schluss noch Feuchtigkeitscreme. Alle waren so glücklich. Schon die tage vorher fragten sie immer wieder wann es denn endlich so weit wäre und dann genossen sie es einfach.

Ein nicht so tolles Thema, dass man aber bei so einem Bericht nun mal nicht weglassen kann sind die Läuse. Diese fühlen sich in dem Behindertenheim pudelwohl. Denn obwohl den Frauen oft der Kopf abgesucht wird kriegt man sie nicht los. An einem Tag sollte auch ich dabei helfen. Ich habe noch nie so riesige Läuse gesehen. Sie waren gigantisch. Ich würde sagen teilweise so groß wie Ameisen. In ihrer freien Zeit suchten sich die Frauen auch gegenseitig ab. Wahrscheinlich weil sie den Juckreiz nicht mehr ausgehalten haben. Eine Frau hatte daran richtig Spaß. Wenn sie eine Laus gefunden hatte, zeigte sie diese überall herum. Das war widerlich und witzig zugleich.

Zum Schluss noch ein etwas schöneres Thema. Da am Nachmittag keine wirkliche Struktur vorhanden ist, überlegten wir an einem Nachmittag eine Art “Musikklasse“ zu machen. Jeder bekam eine Trommel, oder eine Rassel. Dann sangen wir gemeinsam Lieder, z.B. „The Wheels on the bus“, „Old McDonald had a farm“, „Jingle Bells“ und noch vieles mehr. Außerdem forderten wir sie auf Lieder in Singhala zu singen. Es war ein sehr lauter aber auch super witziger Nachmittag. Alle hauten auf ihre Instrumente. Manche schrien mehr als das sie sangen, aber die Hauptsache war schließlich der Spaß und den hatten sie definitiv. 

Alles in allem sind mir diese Frauen so sehr ans Herz gewachsen, dass ich sehr traurig war, als mein letzter Tag zu Ende ging Am Anfang hätte ich das nicht gedacht, denn am ersten Tag konnte ich mir kaum vorstellen am nächsten Tag wieder hinzugehen. Ich war zwar von anderen vorbereitet, aber dennoch war es ein Schock, als man diese vielen behinderten Menschen auf einem recht kleinen Fleck sah. Dazu kam, das es kaum Angestellte gibt und die Behinderten sich mehr oder weniger gegenseitig helfen. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich die ersten Tage durchgehalten habe. Denn man kann dort wirklich etwas tun. Selbst wenn man den ganzen Tag nur neben ihnen sitzt und ihnen die Hand hält. Denn die Behinderten werden zwar essensmäßig gut versorgt, aber teilweise fehlt eben die Liebe. Dennoch war ich positiv überrascht, denn der “Unterricht“ ist wirklich gut gemacht!



Unsere gebastelten Sachen :D

Hier wird die Wäsche aufgehangen

Dort fand die morgendliche "Meditation" statt

Ein Teil des Kinderspielplatzes

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