Wahnsinn jetzt ist schon mein zweiter Monat in Sri Lanka
vorbei. Die Zeit rast dahin und schon bald trete ich den Rückflug an.
Meinen 2. Monat habe ich in einem Heim für behinderte Frauen verbracht. Ich werde diesen
Post ähnlich strukturieren, wie den Post über das Babywaisenhaus. Zuerst einige
allgemeine Fakten über die Organisation und dann den allgemeinen Tagesablauf.
Das Heim nennt sich “Daya Nivasa“. Organisiert und geleitet
ist das Ganze von den Schwester Mutter Theresas. Also eine christlich getragene
Einrichtung. Die Einrichtung ist nur für Frauen. Insgesamt leben ca. 50 Frauen
dort. Manche haben nur eine körperliche Behinderung (können nicht laufen, oder
sind blind), andere haben verschieden starke geistige Behinderungen. Es gibt
auch einige Kinder (ca. 8) und ca. 4 Babys.
Nun zum Tagesablauf.
Wie auch bei den Babys verließen wir das Volunteerhaus gegen
7:30. Mit dem Bus ging es erst nach Kandy. Von dort nahmen wir einen weiteren
Bus und nach ca. 10 weiteren Minuten erreichten wir das Heim. Dort gingen wir erst
mal unsere Sachen ablegen, in einem Raum, der nur für die Volunteere gedacht
ist. Um 8:45 versammelten wir uns alle im sogenannten “sensory room“. Dort
wartete die Oberschwester auf uns. Für 1/4h hatten wir eine Art
Begrüßungs-/Organisationsmeeting. Für jeden Tag gab es einen “reflection
point“. Dieser handelte teilweise von Gott, teilweise ging es eher um Sicht-
bzw. Handlungsweisen. Über diesen Satz sollten wir dann eine Weile nachdenken.
Währenddessen wurde das Licht ausgeschaltet und leise Musik abgespielt. Es war
quasi eine kleine Meditation. Die meisten von uns, und auch ich, haben eher ein
kleines Nickerchen gehalten. Nach einer Weile wurde die Musik abgeschaltet und
die Schwester betete. Ich glaube es war ein Gebet, dass von Mutter Theresa
entworfen wurde. Zum Schluss beteten wir zusammen. Danach erklärte die
Schwester noch ein bisschen genauer, was sie mit ihrem heutigen Satz sagen will
und was wir doch mal versuchen sollten. Zum Schluss teilten wir uns in
verschiedene Gruppen auf.
Um 9 wurde eine Glocke geläutet. Diese rief alle zum Beginn
des Unterrichts. Es gab unterschiedliche Klassen. Es gab eine Klasse für alle
Rollstuhlfahrer, die eig. nicht in der Lage sind wirklich was zu machen. Die war
allerdings fast nie für Volunteere offen, da das harte Arbeit ist. Es ging
dabei mehr um Beschäftigung und nicht
wirklich um Unterricht, aber das macht ja nichts. Dann gab es für die Kinder
eine Gruppe und es gab die Gruppen “Goodness“, “Joy“ und “Peace“. Ich würde
sagen, dass in Peace diejenigen waren, die noch am meisten tun können, dann
kommt Joy und zum Schluss Goodness. Allerdings gab es in jeder Gruppe Frauen
mit unterschiedlich starken Behinderungen.
Die Klasse ging immer bis 11 Uhr. Jeden Tag wurden
unterschiedliche Dinge gemacht. Es wurde gebastelt, gesungen, Englisch und
Zeichensprache gelernt und vieles mehr. Beendet wurde die Klasse immer mit
einem Lied. Dieses war ziemlich einfach. Es bestand eig. nur aus Thank You +
einem Namen“. So wurde jedem einzelnen gedankt. Das haben sie geliebt. Um 11
Uhr versammelten sich dann alle für den Lunch. Der bestand immer aus
Rice&Curry. Allerdings sind sie das ja gewohnt, also machte es ihnen wohl
nichts aus. Die meisten können alleine essen. Wir fütterten diejenigen, die es
nicht konnten. Das war manchmal eine ziemliche Sauerrei und ich war froh mir im
Nachhinein die Hände zu waschen und zu desinfizieren. Nachdem alle gegessen
hatten, war unsere Morgenschicht beendet und wir zogen uns in den Volunteerraum
zurück. Dort wartete meistens schon unser Lunch, der immer von einer/einem
Coordinator/in gebracht wurde. Insgesamt hatten wir eine Pause von 2h, von 12
bis um 2.
Manchmal gingen wir ein Eis essen, oder machten Besorgungen
in einem nahe gelegenen Supermarkt.
Um 2 ging es dann wieder runter zu den Frauen. Die Zeit am
Nachmittag stand zur freien Verfügung. Teilweise spielten wir mit den Kindern
auf deren Spielplatz, teilweise hielten wir die Hand, teilweise machten wir
aber auch verschiedene Aktivitäten. So hatten wir an einem Tag eine
Musikgruppe, an einem anderen sangen wir gemeinsam Lieder oder tanzten. Gegen
2:30 bekamen sie ihren Tee mit Milch und Zucker, wie es in Sri Lanka üblich
ist. Leider mussten wir uns um 3 Uhr bereits von ihnen verabschieden.
Dies war der eig. immer gleichbleibende Tagesablauf. Nun
möchte ich einige kleine persönliche Geschichten erzählen.
Ich besuchte jede der Klassen mind. Für einen Tag. Aber
schon bald stand für mich fest, dass die Klasse “Joy“ meine absolute
Lieblingsklasse war. Ich weiß nicht genau woran es lag. Vllt. an den Frauen,
von denen ich einige sofort in mein Herz geschlossen hatte, vllt. auch wegen
der Freude, die diese Gruppe jeden Tag beim arbeiten zeigte.
Geleitet wurde die Klasse von ein Kanadierin. Sie macht das
jetzt schon seit 3 ½ Jahren und ist einfach unglaublich. Zu Anfang wurde ein
jeder gefragt, wie es ihm heute geht. Dann wurde gebetet. Für jeden, der krank
war, oder sich sonst irgendwie unwohl fühlte, wurde gebetet.
Wir bastelten viel.
Ob aus Pappmasche, Holz, Zement oder etwas anderem spielte dabei überhaupt
keine Rolle. Allerdings bestanden unsere Stunden nie nur aus Basteln. Entweder
gab es eine Einheit im Englischen oder im Makaton. Eine Zeichensprache, die es
ermöglicht sich ohne Sprache zu verständigen. Das ist besonders praktisch, da
manche der Frauen entweder nicht sprechen wollen oder können. Das ganze wurde
immer auf eine spielerische und spaßige Weise rübergebracht. Niemand wurde
unter Druck gesetzt, auch nicht, wenn man etwas zum wiederholten Male gesagt
hatte. Machte es eine der Frauen jedoch richtig, oder erinnerte sich an ein kur
zuvor gelerntes Wort war die Freude darüber umso größer. Das hat mir so gut
gefallen, da man sehen konnte, wie viel Spaß alle am Lernen hatten. Natürlich
braucht es eine Zeit bis die Frauen ein neues Wort oder ähnliches gelernt
hatten, manche lernen es wohl nie, aber niemand wurde je deswegen aus der
Gruppe ausgeschlossen oder gar belächelt.
Mit einer Frau aus dieser Gruppe freundete ich mich
besonders an. Sie hat Multiple Sklerose und sitzt im Rollstuhl. Ihre Haltung
ist sehr geduckt und teilweise ist sie sehr schwach, aber ihr Geist ist wach
und giert nach Beschäftigung. Anders als viele anderen hatte sie ein sehr gutes
Leben. Sie besuchte eine gute Schule (daher spricht sie gut Englisch) hat einen
Mann und 2 Söhne. Sie lebte in Dubai, Singapur und in Malaysia. Daher ist es
für sie sehr schwierig, in dem Heim glücklich zu sein. Während der Klasse saß
ich die meiste Zeit an ihrer Seite und half ihr, wann immer sie es brauchte. So
hielt ich z.B. das Blatt Papier fest, damit sie mit beiden Händen den Stift
halten kann. An manchen Tagen musste ich ihr auch helfen den Stift zu führen,
da ihre Hände zu sehr zitterten. Wenn sie etwas nicht hinbekam, war sie sehr
traurig und manchmal war es schwer dies mitanzusehen. Man ist so hilflos. Ich
denke sie war oft gelangweilt, da sie vieles, was die anderen langsam lernten
bereits konnten. Dann erzählte sie mir viel von ihren Söhnen und von ihrer
Sehnsucht nach ihnen.
Meistens half ich ihr auch beim Essen. Denn da sie ihre
Hände nicht mehr richtig benutzen kann, ist es für sie sehr schwierig. Es war
nicht immer das einfachste sie zu füttern. Denn sie war sehr wählerisch. Vieles
schmeckte ihr nicht und wehe das war dann auf dem Löffel ;). Trotzdem fütterte
ich sie sehr gerne. Denn anders als bei manch anderen blieb man selbst dabei
sauber.
An einem Freitag fielen alle Klassen aus, da alle
Angestellten mit den meisten Schwestern auf einem Ausflug zu irgendeiner
besonderen Kirche waren. Nun mussten wir uns also überlegen, wie wir die ganzen
Frauen beschäftigen. Denn wir wollten sie nicht nur einfach herumsitzen lassen,
dass machen sie oft genug. Wir fanden Nagellack und kurze Zeit später war ich
umringt von Frauen, die alle ihre Nägel lackiert haben wollten. Ich weiß nicht
mehr wie viele ich lackierte. Es schien endlos so weiter zu gehen. Einige der
Frauen zeigten mir noch tage später ihre Nägel und dann auf mich. Sie hatten so
viel Spaß.
Generell liebten es die Frauen, wenn man mit ihnen irgendwas
in Richtung Beauty machte. An einem Tag hatten wir auch in der Klasse einen
sogenannten Beauty-Tag. Jeder bekam eine Schüssel mit heißem Wasser und einen
Waschlappen. Zuerst hatten wir selbstgemachte Peelings in 2 verschiedenen
Geruchsrichtungen. Danach eine Papaya Maske und zum Schluss noch
Feuchtigkeitscreme. Alle waren so glücklich. Schon die tage vorher fragten sie
immer wieder wann es denn endlich so weit wäre und dann genossen sie es
einfach.
Ein nicht so tolles Thema, dass man aber bei so einem
Bericht nun mal nicht weglassen kann sind die Läuse. Diese fühlen sich in dem
Behindertenheim pudelwohl. Denn obwohl den Frauen oft der Kopf abgesucht wird
kriegt man sie nicht los. An einem Tag sollte auch ich dabei helfen. Ich habe
noch nie so riesige Läuse gesehen. Sie waren gigantisch. Ich würde sagen
teilweise so groß wie Ameisen. In ihrer freien Zeit suchten sich die Frauen
auch gegenseitig ab. Wahrscheinlich weil sie den Juckreiz nicht mehr
ausgehalten haben. Eine Frau hatte daran richtig Spaß. Wenn sie eine Laus
gefunden hatte, zeigte sie diese überall herum. Das war widerlich und witzig
zugleich.
Zum Schluss noch ein etwas schöneres Thema. Da am Nachmittag
keine wirkliche Struktur vorhanden ist, überlegten wir an einem Nachmittag eine
Art “Musikklasse“ zu machen. Jeder bekam eine Trommel, oder eine Rassel. Dann
sangen wir gemeinsam Lieder, z.B. „The Wheels on the bus“, „Old McDonald had a
farm“, „Jingle Bells“ und noch vieles mehr. Außerdem forderten wir sie auf
Lieder in Singhala zu singen. Es war ein sehr lauter aber auch super witziger
Nachmittag. Alle hauten auf ihre Instrumente. Manche schrien mehr als das sie
sangen, aber die Hauptsache war schließlich der Spaß und den hatten sie definitiv.
Alles in allem sind mir diese Frauen so sehr ans Herz
gewachsen, dass ich sehr traurig war, als mein letzter Tag zu Ende ging Am
Anfang hätte ich das nicht gedacht, denn am ersten Tag konnte ich mir kaum
vorstellen am nächsten Tag wieder hinzugehen. Ich war zwar von anderen
vorbereitet, aber dennoch war es ein Schock, als man diese vielen behinderten
Menschen auf einem recht kleinen Fleck sah. Dazu kam, das es kaum Angestellte
gibt und die Behinderten sich mehr oder weniger gegenseitig helfen. Im
Nachhinein bin ich froh, dass ich die ersten Tage durchgehalten habe. Denn man
kann dort wirklich etwas tun. Selbst wenn man den ganzen Tag nur neben ihnen
sitzt und ihnen die Hand hält. Denn die Behinderten werden zwar essensmäßig gut
versorgt, aber teilweise fehlt eben die Liebe. Dennoch war ich positiv
überrascht, denn der “Unterricht“ ist wirklich gut gemacht!
Unsere gebastelten Sachen :D
Hier wird die Wäsche aufgehangen
Dort fand die morgendliche "Meditation" statt
Ein Teil des Kinderspielplatzes
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen